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Dietmar Wischmeyer

Kellner

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Der kürzeste Weg zwischen Durst und dem schönsten Gefühl der Welt ist der direkte Marsch zur Bierkiste. Um aber das Leben nicht allzu vollkommen und paradiesisch zu gestalten, erschuf der Teufel die Kellner. Böse und griesgrämige Kreaturen, die nur aus Rücken bestehen. Durch blose Anwesenheit verwandeln sie jeden Gast in einen wild mit den Armen in der Luft herumfuchtelnden Vollidioten. Als würde man seine Bestellung vor einem Gehege geisteskranker Lamas formulieren, glotzen die depressiven Burschen langweilig paffend im Schankraum herum.

Wer erträumte sich in solcher Situation nicht, dass das eine oder andere 9mm Projektil mal an der Herzklappe des degenerierten Schöpfungsteilnehmers anklopfen möge. Zumindest wünscht man sich das komplette bundesdeutsche Kneipenpersonal mit japanischen Infrarotempfangsteilen nachgerüstet und das es ähnlich wie der devote Videorekorder seinen Dienst verrichten möge.
Seitdem der Beruf des Kellners in Deutschland kaum noch von geschulten Kräften ausgeübt wird, sondern jeder Sozialpädagogikstudent damit seinen sinnentleerten Aufenthalt an der Alma-mater verlängert, ist die Qualität ins Bodenlose gesunken. So wird einem also der überschwappende, pisswarme Kaffee oder das 27-Minuten-Bier von einem Subjekt kredenzt, dass dem Selbstwertgefühl nach den Arsch voller Pulitzer- und Nobelpreise hat. Nur der Kohle wegen lässt sich Kollege Einstein herab in Furzi's Pizzapinte den oxydanischen Rhabarbersaft total cool durch den Raum zu tragen. Könnte man wenigstens dem phlegmatischen Zausel ein saftiges Trinkgeld in die Hand drücken, damit er sich für die Dauer des eigenen Kneipenaufenthaltes in den Urinraum verpisste. Aber nein, gnadenlos starrt der samsonqualmende Steinzeitmensch auf mein Souflaki(?) aus Bodenhaltung während andere Gäste hilflos mit den Extremitäten in der Luft herumrudern, um sich in die Liste der Biersubskribenten einzutragen. Doch noch bevor der letzte Happen in den Schlund gewandert wird der Teller weggerissen, mit der ewigen Zynikerformel: "Hat's geschmeckt?". Worauf man laut jahrhundertealtem Verhaltenskodex unerfindlicherweise mit "Danke" zu antworten hat, statt eine Liste der unmittelbaren Vergiftungserscheinungen runterzurasseln.

Dem Kellner ist das eine so gleichgültig wie das andere. Um den Anstoß für den perestaltischen Rückwärtsgang zu geben, hat er während der Fragestellung den überfüllten Aschenbecher in die Essensreste gekippt. Wie praktisch, kommt ja beides in den Müll, warum da zweimal laufen. Der Dialog aus Marlborokippen und Souflakiknorpel wird schließlich doch in den Kneipenorkus verschleppt, wo ein weiterer sozialpädagogischer Kochdarsteller einen heiteren Soßenfond aus den Resten kreiert.

Unser Mann mit der Schürze ist mittlerweile wieder am Tisch erschienen. Natürlich nicht, um nach einem weiteren Wunsch sich zu erkundigen, sondern um die Worte jetzt loszuwerden: "Ich muss jetzt kassieren". Wie denn? Wo denn? Was denn? Wir würden aber gerne noch... das sei ihm scheißegal. Der Kollege, der eigentlich jeden Moment kommen müsse, übernehme dann Tisch 17. Ob er vielleicht schonmal 3 Pils? Nein, der Chef risse ihm ein Ei ab, käm' ja alles durcheinander. Zusammen oder getrennt? Getrennt. Ach du Scheiße. Du da, 42 Mark 80. Das kann aber nicht, ich hatte doch nur 2 Bier und eine Pizza Natur. Na dann eben 18 Mark - 20 stimmt so und so fort.

Überflüssig zu sagen, dass der anvisierte Kollege erst nach anderthalb Stunden auftauchte und dann in Ruhe ein Kilo Samson wegpaffte, bevor er sich in Servierstimmung wähnte. Na, macht nichts. Uns war der Appetit eh vergangen, da in der Wartezeit der Koch das Geheimnis seines Phänotypes lüftete und für den Bruchteil einer Sekunde ein warzig eitriger Wischmob aus der Küche lugte, "zweimal Tonno" brüllte und wieder verschwand. Durch das Geräusch der kollektiven Übergabeverhandlungen der Gästemägen am Linolbelag hörte man verschwommen einen Kellner sprechen: "Das kost' extra".

(*ns*)