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Dietmar Wischmeyer

Der Laberer

Meine Name ist Dietmar Wischmeyer und dies ist das Logbuch einer Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten. Hier ist mein Bericht.

Wischmeyer: "Die Hölle, das ist der andere" fasste schon Jean-Paul Sartre in den 50ern seine Erfahrungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zusammen. Nirgends rückt einem der widerliche Schöpfungskollege auch dermaßen auf die Pelle, wie hier im Zwischendeck des Sozialstaates. Als ob Old Spice Intimspray und Balonseidenfummel nicht genügten, hat Freund Blödian noch eine Wunderwaffe im Arsenal, das Kante an den Sack labern. Darunter versteht man den sinnentleerten Mitteilungsdrang hirnamputierter Volltrottel in ausweglosen öffentlichen Räumen.
Laberer: Na, hehe auch mit'm Bus unterwegs?...
Wischmeyer: ...beginnt zumeist der Angriff auf den harmlosen Mitreisenden. Was soll man darauf antworten? Nein du Arschloch, dies ist ein Raumschiff! Es geht nicht. Irgendwie geht es einfach nicht. Also nickt man nur mit dem Kopf und glotzt angestrengt aus dem Fenster. Das wertet die Gesprächszecke allerdings als Aufforderung noch tiefer in das Thema einzusteigen und legt einen weiteren Knaller nach:
Laberer: Wir lagen damals mit 20 Mann bei Woronesch am Don, ne, 44.
Wischmeyer: Oh, Scheiße. Einer von diesen Megafertigen, die der Iwan schon nach 2 Wochen aus der Gefangenschaft rausgeworfen hat, weil er das Gesülze nicht mehr ertragen konnte. Vorsichtig fingere ich nach dem Nothammer an der Fensterscheibe, um den Querausstieg aus der Buslinie 64 vorzubereiten. Doch zu spät. Neben mir ist ein Platz freigeworden und der Kante an den Sack Laberer geleitet mich zurück an den Don. Mit Resten des Originalatems aus dem Jahre 1944, in dem man noch den Widerhall der Reichsdosenfleischversorgung wittert, gibt unser Freund eine kurze Ausrottungsprognose für 200 Millionen Menschen ab.
Laberer: Hätten wir in der Mansteinoffensive die Laffetten mit der 8cm Pak rechtzeitig an die Front geschafft, da wäre der Iwan heute von der Landkarte ausradiert, aber 100 pro.
Wischmeyer: Schau an, kleine Ursache große Wirkung. Hätte ich die Laffette mit der 8cm Pak rechtzeitig gehabt, sähe deine Fresse jetzt auch anders aus, denke ich und sehne mich nach der nächsten Haltestelle wie ein Verdurstender nach Afri-Cola.
Laberer: Und selbst? Auch gedient?
Wischmeyer: Ich hatte es geahnt, die Schulterschlussfrage. Nach der Devise: 'Haha wir alten Landser, im Felde ungeschlagen, uns macht keiner was vor.' Aber da war auch noch etwas anderes in der Frage, etwas degradierendes. Was konnte ich schon antworten: 'Ja, hihi, 15 Monate Wehrdienst bei der Luftwaffe.' Darauf würde das großdeutsche Arschloch an meiner Seite unweigerlich sagen:
Laberer: 'Luftwaffe, he ha hatten wir damals auch. Waren alle schwul, die Schlipssoldaten.'
Wischmeyer: Nein, nix da. Diesen späten Sieg der großdeutschen Artillerie nun doch nicht und schon garnicht von diesem ekelhaften Kante an den Sack Laberer. Das Bürschchen brauchte eine Abreibung, damit er seine Faschokacke nicht in jedes öffentliche Nahverkehrsmittel entleerte. Was ich dann sagte stimmte zwar nicht, verfehlte aber nicht seine Wirkung: 'Hörma du Arsch, was hast du da vorhin gesacht? Du hast 44 nicht rechtzeitig die 8cm Pak nach Woronesch an die Front gebracht? Du warst das? Weißt du wer da gefallen ist, he? Weil er nicht rechtzeitig die 8cm Pak gekriegt hat, he? Weißt du das, du Arsch? Mein Opa, du Kameradenschwein.'
Laberer: Aber, aber aber die beschissene Versorgungslage und und...
Wischmeyer: Es folgten noch ein paar Ausflüchte über die beschissene Versorgungslage an der Ostfront, aber da hatte der Nothammer schon sein linkes Auge im Visier. Warum auch nicht? Auf dem Rechten war er sowieso schon blind. Wie sich nachher rausstellte ist er bis vor kurzem Staatsanwalt an einem Oberlandesgericht gewesen. Heil Hitler Land der Bekloppten und Bescheuerten.

(*ns*)